13
Jun
2008

Inseldenken

Nun ist leider das Szenario eingetreten, das zu befürchten war: Irland lehnte den Vertrag von Lissabon ab.

Die Gegner eines vereinten Europas treten in Irland genauso auf, wie im Rest von Europa: populistisch und mit an kilometerlangen Haaren herbeigezogenen Argumenten. Dass der Vertrag von Lissabon Irland zwingen würde, seine günstigen Steuersätze aufzugeben, stimmt ebenso wenig, wie er Österreich gezwungen hätte, Atomkraftwerke zu bauen.

Leider verstehen viele Bürger nicht, dass es in einer globalen Welt, in der Großmächte das Geschehen bestimmen, notwendig unerlässlich ist, dass sich die Mittel-, Klein- und Kleinststaaten Europas um eine gemeinsame Vertretung europäischer Interessen bemühen. Wie sollte denn ein Regierungschef mit dem Einfluss, dem Charisma und der Ehrfurchtsgebietung Alfred Gusenbauers österreichische Interessen gegenüber China oder den USA durchsetzen?

Sogar Dimitri Medwedew plant, der GUS als Staatenbund wieder stärkere Bedeutung beizumessen und den Rubel als zusätzliche Leitwährung zu bewerben. Chinas wirtschaftliche (und vielleicht später mal politische) Ambitionen sind gemeinhin bekannt, während die USA sich zumindest derzeit noch im realitätsfernen Weltpolizeitaumel befindet.

Diese Großmächte werden bei Verhandlungen natürlich ganz ungeheuer erschlottern vor dem politischen und wirtschaftlichen Einfluss von, sagen wir, Österreich, Luxemburg oder Dänemark. Will man vielleicht kein gentechnisch manipuliertes, mit Chlor gewürztes und Antibiotika gefülltes, Fleisch aus den USA essen?
Die USA würden sich aus Angst bestimmt hinter den Mammutbäumen im Yellowstone-Nationalpark verstecken, wenn ein auf dem Globus kaum zu findender Landkartenklecks wie die Niederlande Importbeschränkungen erlässt.

Hätte man für die Kinder lieber kein asbestbeladenes Spielzeug aus China und im Winter gerne Gas aus Russland um die raumkompakte Zwei-Zimmerwohnung zu heizen? Gusenbauers Verhandlungsgeschick verfügt nicht nur in Österreich ja über einen einschlägigen Ruf... das werden kalte Winter.

Nachdem Europa eine große Region mit gemeinsamen Werten, ähnlichen Mentalitäten und fast genau gleichen Problemen bildet, ist es nur allzu naheliegend, eine einflussreiche gemeinsame Vertretung zu suchen und dringende Probleme im Team anzupacken.
Leider wurde das Verständnis dafür von der Politik teilweise nicht übermittelt, teilweise wollen es die Bürger aber auch gar nicht aufnehmen... wogegen könnte man sonst noch schimpfen und zetern, gäbe es keine EU?

Dennoch kann ich mir kaum vorstellen, dass es vielen Menschen sehr recht wäre, wenn sie zum Einkaufen in Italien zuerst beim Umwechseln von Schilling nach Lire, dann beim Einkaufen, weil der Kurs nicht geläufig ist und anschließend beim Heimfahren vom Zoll beschissen werden. Genauso wie ein großer Teil der Bürger von den Freizügigkeiten wie zum Beispiel der Möglichkeit in anderen EU-Ländern zu leben und zu arbeiten sehr wohl profitiert - am Stammtisch dann aber über den "Bürokratiehaufen EU" schimpft.

Inseldenken herrscht nicht nur in Irland und es ist schade, dass in Europa Weitsichtigkeit scheinbar nur eine Sehstörung ist.

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