1
Jun
2007

Proloclique in Schlampenschick?

Wer seine Jugend als bedauernswerter Nerd verbracht hat, kennt sie sofort: Jene, sagen wir es diplomatisch, eher denkmüden Zeitgenossen, die sich oft auch aufgrund körperlicher Eigenschaften, in jugendlichen Gesellschaftsstrukturen als zeitweilige Alphatierchen hervortun.

Als Nerd kann man versuchen, sich ihnen anzubiedern oder sie aber definitiv ablehnen: Auf jeden Fall endet man als Sandsack, Schlagobjekt oder Quelle stetiger Belustigung für die Alphamännchen selbst und jene, die sich um sie scharen und denen beim Anbiedern größerer Erfolg beschert war.

Diese hervortretenden Zeitgenossen gibt es immer noch und sie werden der Welt vermutlich auch leider nie weichen, nur trugen sie früher zerrissene Jeans, Lederjacken, die Zigarettenkippe, für die sie gesetzlich zu jung waren hing lässig vom Mundwinkel und der 6er-Träger mit billigem Bier wurde unter den Arm geklemmt oder lässig auf dem getunten Moped abgestellt.

Nun, heute hängen immer noch Zigarettenkippen aus Mundwinkeln, die den Nippel vielleicht gerade erst verlassen haben, der 6er-Träger Bier wurde durch ungleich teurere, aber gleich gehaltvolle Säftchen, auch Alkopops genannt, ersetzt, die Jean ist zerrissen wie eh und je, aber auf den Schultern, die so gerne männlich wären, lastet keine geschmeidige Lederjacke sondern ein zumeist hässliches Etwas mit dicken weißen Lettern, die "D&G" sprechen.

Dolce & Gabbana Jacke


Ja, genau, Dolce & Gabbana, jene abgehobene italienische "Mode"marke, die sich besonders hervorgetan hat in der Kreation von so genanntem Schlampenschick. Also Mode, die man so zwar auch auf dem Flohmarkt finden würde, für die eine Schlampe von Welt aber zuerst kaum zu rechtfertigende Summen echter Währung ausgeben muss, um in ihrem illustren Umfeld genug Einheiten der wichtigeren Währung Prestige zu besitzen.

So weit so gut, Frauen, Mode, ein Kapitel über das viel zu viel gesagt wird und auch gesagt werden könnte.

Warum aber plötzlich jene Begeisterung maskuliner Testosteronbomben im ungünstigsten Lebensabschnitt mit schlecht kaschierten Auswüchsen eben dieses Hormoncocktails (auch Pickel genannt) für die Stoffe, in die sich sonst nur Vertreterinnen des anderen Geschlechts, wenn auch solche auf Augenhöhe, wickeln? Universeller Ausbruch unaufhaltsamer Metrosexualität? Vielleicht. Gewollte Rebellion gegen die aufoktroyierten sexuellen Rollenbilder? Unwahrscheinlich.
Mangel an Alternativen mit verstärktem Prestigedruck? Vermutlich.

Durch was sollten jugendliche Aufständler ihre Aversion gegen das Establishment noch zum Ausdruck bringen, 50 Jahre nachdem James Dean als Vorzeigeproll schon mit Kippen im Unzuchtmund über Kippen in den Meeresschlund gerast ist, 15 Jahre nachdem in Großbritannien Komabesäufnisse schon wieder mehr zu gestern als zu morgen gehören. 30 Jahre nach den Hippies, 20 Jahre nach der stilisierten Zerstörung von geliebten Klamotten (i.e. Jeans mit Löchern), 10 Jahre nach der Demokratisierung des Kleidungskaufs durch große Discountketten.

Alles ist so unerträglich normal geworden, die Sichtweisen so unerklärbar liberal, dass man als Prolo schon wieder Schlampe sein muss, um noch irgendwie einen Funken Aufmerksamkeit zu erhaschen, die gerade so dringend benötigte Selbstaufwertung durch Ausgrenzung zu erlangen, das Geltungsbedürfnis ein wenig zu stillen.

Und wer in den angeblich demokratischen Hallen der Konsumtempel großer Modediscounter wagt, sich (als Mann! alleine!) mit Heerscharen schnäppchenjagender WochenendeinkäuferInnen um den letzten Fetzen Baumwolle zu prügeln, der wird zwei Dinge festellen:
  • Die Männerabteilung ist die Rache der auf diesem Gebiet machtbesitzenden Kaste (hier: Frau) für 2000 Jahre der dokumentierten Unterdrückung. Mittel der Demütigung finden sich angefangen bei der schieren Größe der Einkaufsfläche, bis zur Durchsetzung des gesamten Bereichs mit einer weiblich dominierten Käuferschaft selbst im so genannten Männerbereich. Zusammengepfercht auf wenige Quadratmeter dezidierten Bereichs setzen jene männlichen Persönlichkeiten, die nicht in weiblicher Begleitung sind, vorsichtigste Schritte und verstohlenste Blicke nach allen Seite ab, bedachtsam keine Grenzen zu übertreten, seien es räumliche oder sittliche. Hier wird klar: Die Bestrafung der Frau, dafür, dass man noch Single ist oder zu wenig nett zu seiner Freundin, damit sie mitkommt, erfolgt an diesem Ort zu dieser Zeit.
  • Der Erhalt des generischen Maskulinindividuums ist auch an dieser Stelle bedroht. Das folgende Bild spricht mehr als 1000 Worte: T-Shirts waren eindeutig schon mal männlicher.

Pink T-Shirt by H&M

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