1
Dez
2008

Kooperation = Korruption?

Boris Reitschuster schreibt in der Bunten (ähem, zu meiner Ehrenrettung: via) über die unterschiedliche Mentalität, die in Russland im beruflichen Zusammenleben herrscht.
Die Mitarbeiter verbünde dort ein wahres Wir-Gefühl gegenüber dem Arbeitgeber, der gemeinhin eher als Unterdrücker denn als netter Brötchengeber wahrgenommen wird.

Woher dieser kulturelle Unterschied stammen könnte, wird schnell klar, wenn man Russlands Geschichte und die Konstante des Kollektivismus darin betrachtet.

Eine Einstellung, die sich kaum geändert hat in 10 Jahren brutalen, zerstörerischen Kapitalismus in den 1990ern, der eigentlich nur Synonym für ausufernde Belohnung von Kriminalität und Skrupellosigkeit war. Auch den zarten Hauch allgemein steigenden Wohlstands (bei zunehmendem staatlichen Druck) der letzten 10 Jahre scheint diese Mentalität überstanden zu haben.

So seien Kollegen bemüht, sich gegenseitig bei kleinen Schwindeleien gegenüber dem institutionellen Feind zu decken; kleine Schwindeleien übrigens, die bei uns schon unter die Kategorie "große Betrügereien" fallen würden. Und genau hier liegt laut Reitschuster auch das Problem: Schnell führe so etwas zu Willkür, schlechtem Service und im öffentlichen Dienst zu Korruption.

Deswegen frage ich mich, ob es eigentlich keinen professionellen Umgang miteinander im Berufsleben gibt, der nicht zu mehr oder weniger großen Übeln ausartet? Kann es keinen annehmbaren Kompromiss zwischen unserer rücksichtslosen Ellenbogengesellschaft mit all ihren Burnout-Syndromen und Mobbing-Opfern und der russischen Willkürlichkeit geben?

Muss menschlicher Schwäche im Arbeitssystem (bzw. in jedem Prozess) immer irgendein Ventil gelassen werden - entweder intern gegenüber den Kollegen oder extern gegenüber den Kunden, die im Falle staatlicher Willkür nur allzu schnell zu Opfern werden?

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thumbsucker - 1. Dez, 01:54

Professioneller Umgang miteinander im Berufsleben ist zwar kein Ding der Unmöglichkeit, allerdings in Zeiten der Gewinnmaximierung und der Finanzkriese schwer umzusetzen.
Es wäre Sache der Chefs/Abteilungsleiter/Vorgesetzen, für eine funktionierendes Miteinander zu sorgen, bleibt leider immer häufiger auf der Strecke. Profit, Profit und nochmals Profit - und hinter (unter) dem Chef die Sintflut...
Vor einigen Jahren hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, unter einem ehemaligen (und damals vollkommen branchenfremden) OMV-Manager zu "dienen". Dieser Herr konnte zwar irre gut mit Zahlen, in Sachen Führungskompetenz und Mitarbeitermotivation hat er allerdings vollkommen versagt. Seine Einschüchterungs/Brüll/Droh-Taktik hat zu dem von dir beschriebenen Mobbing-Szenario geführt...und zu einigen Weinkrämpfen unter der weiblichen Belegschaft. Die derzeitige (und künftige) Arbeitsmarktsituation wird da nicht unbedingt zu einer Verbesserung beitragen.

bellerophon - 1. Dez, 11:16

Genau das ist meiner Meinung nach das Problem. Es gibt bei uns nur sehr wenige Chefs, die zu guter Mitarbeiterführung fähig sind.
Manchen fehlt jegliche Sozialkompetenz und ihre "Führung" beschränkt sich darauf, Mitarbeiter möglichst demütigend zur Schnecke zu machen. Andere sind zu gutmütig und lassen denjenigen rücksichtslosen Angestellten, die das ausnützen, zu viel durchgehen (hab ich auch schon erlebt, ehrlich!). Das baden dann wieder die aus, die vernünftig arbeiten und sozusagen die Dummen sind.

Das Problem ist bei uns wohl auch der mangelnde Zusammenhalt zwischen Kollegen - jeder schaut nur auf sich und wie er am besten weiterkommt. Aber da das Arbeiterkollektiv in Russland das Versagen nur an einen anderen Punkt, nämlich zum Kunden zu verschieben scheint, frage ich mich, ob es denn gar nicht möglich ist, produktiv und sinnvoll, aber freundlich und ohne Gemeinheiten miteinander zu arbeiten.
thumbsucker - 1. Dez, 13:33

Stimmt, Zusammenhalt ist selten.
Kann mich noch gut erinnern: Unter besagtem OMV-Manager wollte eine junge(ziemlich neue) Mitarbeiterin meiner Projektgruppe zugeteilt werden, da die Mitarbeiter jünger waren als in der ihren und ihr die älteren Kollegen kaum was erklärten. Ich sagte ihr, prinzipiell wäre das kein Problem, sie solle mit dem Chef klären, ob diese Möglichkeit bestünde.
Ergenbnis: Eine viertel Stunde später kam sie weinend aus dem Chef-Office - offensichtlich hatte er sie extrem zur Schnecke gemacht und ich wurde zu ihm zitiert. Er erklärte mir dann, dass man heutzutage vorsichtig sein müsse mit weiblichen Mitarbeitern, welche freiwillig einer Projektgruppe zugeteilt werden wollen, faselte was von Schwärmerei und Beziehungen am Arbeitsplatz - absolut irre. Letztlich wurde die junge Dame dann auch noch von einigen Kolleginnen gemobbt, nach 4 Monaten hat sie das Handtuch geworfen.
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