25
Okt
2009

Willkommen in der Öffentlichkeit

Was ist wohl das gefürchtetste schwedische Staatsorgan? Die Polizei? Bewegt sich oft auf Gefährten mit genau einer Pferdestärke und sieht den Fußgängern dabei zu, wie sie bei rot über die Straße gehen.

Schwedische Polizei mit Pferden.
(Bild von Eoghan OLionnain)

Der Militärische Nachrichtendienst? Belauscht nur Norweger beim Telefonsex.

Nein, die einzige staatliche Agentur, die ihre Fänge in alle Bereiche des täglichen Lebens auswirft, ist Skatteverket. Dieses Meta-Finanzamt, ein Synonym für Effizienz in positiver und negativer Wertigkeit, jagt Steuerhinterzieher kreative Buchhalter auf Zypern, erleichtert den Lohn um Steuern und führt Buch über die Bevölkerung. Und das mit einer gewissen Verbissenheit.

Doch anstatt in heimlich-hollywoodianischen Hinterzimmerhandwerk übt sich Skatteverket in Öffentlichkeit. In so extremer Öffentlichkeit, dass gleich alle Einkommensdeklarationen aller Bürger in Schweden jedermann zugänglich sind. Jede Person über 15 in Schweden ist zu ungefragter Mitteilsamkeit verdammt (wer meinen Namen kennt, kann das überprüfen). Neid oder Nicht-Neid gegenüber dem Nachbarn misst sich hier nicht nur in möglicherweise geleasten Luxuskarossen, sondern ist in harten Einkommensfakten überprüfbar. Dasselbe gilt für Norwegen, wo man dieses Nervengift für Datenschützer gleich auf Facebook verbreiten kann.

Erste Reaktion: geschockt! Gespräche mit Personen ambivalenterer Gemütsverfassung ergaben jedoch, dass die Öffentlichkeit von Bürgerinformationen ein wichtiger demokratischer Kontrollmechanismus ist. Schließlich ist dieselbe Information auch über alle Politiker, Politberater und Regierungsorgane öffentlich verfügbar. Eigentlich handelt es sich um eine Ausprägung der viel gelobten Transparenz, ein Wort das so viel unschöner wird, wenn man selbst transparent ist.

Aber nicht auszudenken, welch lustiges Datensammelsurium man erhält, wenn man beginnt, diese Einträge mit Facebook oder Google oder anderen Datenkraken datenintensiven Applikationen zu synchronisieren. Wenn man gleich vor dem Date mit einer Facebook-Bekanntschaft Kreditwürdigkeit und Einkommen überprüfen kann, zum Beispiel. Als viel wörtlichere Auslegung von "drum prüfe, wer sich ewig bindet". Oder wenn Michael mit seinem neuen BMW posiert aber die darunter eingeblendete Steuerinformation klar zeigt, dass der Knirps nur 1000 € im Monat verdient. Wie lustig! Wie lustig?

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thumbsucker - 25. Okt, 20:25

Du kannst sie also noch, die deutsche Sprache ;)
Und schilderst gleich ein Horrorszenario für jemanden wie mich, dem es seit x Jahren gelingt, im Web unerkannt zu bleiben und selbst für Herold ein Unbekannter zu sein.

Kombiniere dein Szenario noch mit einem kompletten Google-Paket incl. Google Voice...holy cow...

bellerophon - 25. Okt, 22:28

Klar, lese ja immer brav dein Blog :) Und mein Schwedisch ist auch noch weit von Perfektion entfernt...

Ich fühle mich auch nicht gerade wohl bei dem Gedanken, dass soviel Information über mich öffentlich bekannt ist. Die Schweden scheinen einen relativ unbekümmerten Zugang dazu zu haben - wobei die Gefahr wirklich in der Verknüpfung besteht und gegenüber ratsit.se auch schon (von seiten des Staates) rechtlich vorgegangen wurde. Weil Skatteverket gerne hätte, dass wirklich jeder, der Informationen haben möchte, physisch dort erscheint. Aber jetzt wo alles schon mal im Internet ist, fehlt leider nicht mehr viel zur Verknüpfung und Wiederverwertung.
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