23
Nov
2008

Unwissenheit und Politmarketing

Bei wvs habe ich folgendes Video gefunden:


(Rick Shenkman - Just how stupid are we)

Der Autor von "Just how stupid are we" argumentiert, dass das amerikanische Volk über zu wenig Wissen verfüge, um informierte Entscheidungen über die Performance ihrer Regierung treffen zu können. Deswegen, so zumindest der unterschwellige Tenor, wäre Amerika keine richtige Demokratie.

Ich widerspreche Shenkman hier nur insofern, als dass ich glaube, dass der Unwissenheitsfaktor kein spezifisch amerikanisches Problem ist. Worum es in der geplanten EU-Verfassung, gegen die jeder irgendwie war, eigentlich konkret ging, war den meisten Österreichern nicht bekannt - eigentlich nicht einmal den meisten Politikern. In Irland haben Wähler gegen den Reformvertrag von Lissabon gestimmt, weil sie dagegen protestieren wollten, dass die irische Fluglinie Aer Lingus nicht mehr in Heathrow landet.

Josef Stalin erfreut sich in Russland ungebrochener Beliebtheit, wird im Land des Rechtsnihilismus quasi als Sinnbild vergangener Größe verehrt. Stalin muss nachhaltig wirksames Marketing betrieben haben, dass man ihm die 4-9 Millionen Todesopfer seiner Politik so großzügig verzeiht.

Und in einer Umfrage von 2005 sieht es in Österreich mit der allgemeinen politischen Bildung auch nicht gerade rosig aus: 8% der Befragten wussten nicht, welche Parteien die Regierung bilden. Das war damals vermutlich auch besser für die ÖVP.

Zwar bleibt Amerika die Hochburg der Truthiness, aber Unwissenheit und Ignoranz durchziehen andere Länder gleichermaßen. Das Missbrauchspotenzial steht in direktem Verhältnis zur Fähigkeit der Politiker, in Teilen bestehende Unwissenheit mit guter Selbstvermarktung zu füllen.

Es gelang Bush - er konnte einem großen Teil der amerikanischen Öffentlichkeit glaubhaft machen, dass Saddam Hussein hinter 9/11 stecken würde; aber genauso gut gelang es Strahlemann Karl-Heinz Grasser. Denn wer weiß heute schon, dass unter dem "besten Finanzminister aller Zeiten" Österreichs Neuverschuldung 2004 tatsächlich 4,4% (statt 1,2%) des BIP betrug?

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https://keinspass.twoday.net/stories/5341208/modTrackback

thumbsucker - 24. Nov, 13:48

Das fatale in Amerika ist dieser ungebrochene, omnipräsente Patriotismus. Einerseits natürlich schön, wenn die Bürger eines Landes hinter der Regierung stehen - andererseits verschleiert diese - man kann fast schon sagen Hörigkeit oft den Blick auf Tatsachen.
Von Kindesbeinen an wird den Amerikanern abgewöhnt, Dinge zu hinterfragen und statt dessen das starspangled banner zu huldigen. Man kann ihnen nicht mal politisches Desinteresse vorwerfen, allerdings ist ein weiteres Handicap die oft gezielte Desinformation und Stimmungsmache der Medien. Wenn man sich mal ein wenig mit den beiden heiligen (Medien)Kühen der Amis - FOX und CNN - beschäftigt, sticht einem das ziemlich bald ins Auge. Die "embedded journalists" im Irak machen für die Regierung durchaus Sinn, denn so bekommt man genau die Bilder auf den Schirm, die man dem Volk vorsetzen will, um den Krieg zu rechtfertigen und ihn als sinnvoll erscheinen zu lassen.
Meine Familie in den US besteht durch die Bank aus Akademikern, also keine dummen Menschen - allerdings mit teils stark verzerrter Optik, dafür mit dem starspangled banner im Vorgarten oder auf der Veranda...

bellerophon - 24. Nov, 19:48

Wobei viele Amerikaner FOX ja vorwerfen, dass es zu konservativ sei (ist es meiner Meinung nach auch) und CNN, dass es zu "liberal" sei.

Aber wirklich hinter der Regierung stehen die Amerikaner derzeit ja nicht: Nur 20% unterstützen Bush. Er hat zwar echt getan, was ihm nur möglich war um diesen schlechten Ruf zu rechtfertigen, aber es zeigt, dass auch der undifferenzierte Patriotismus bei den Amerikanern ab einer gewissen Schwelle kippen kann. Aber das mit dem starspangled banner und dem Singen der Bundeshymne in den Schulen stimmt dann doch wieder - eine viel patriotischere Grundstimmung als bei uns.
thumbsucker - 24. Nov, 20:46

Die Unzufriedenheit der Amerikaner mit Bush ist allerdings nicht mit einem Lerneffekt gleichzusetzen.
Denen zum Beispiel mal zu erklären dass es besser ist, Geld zu sparen anstatt wie drüben üblich mit der Aufnahme und Tilgung von Krediten eine gute Credit History aufzubauen und sämtlichen Besitz mit Schulden zu finanzieren, ist ein laaanger Prozess. Auch die Zeiterscheinung, statt eines fetten SUVs der 15-20 Liter auf 100km schlürft lieber einen sparsamen Kleinwagen zu fahren, einen Hybrid oder gar die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, wird nicht von langer Dauer sein. Dann schon lieber auf die Krankenversicherung verzichten, die mit 270$ (incl. Dental) aufwärts durchaus leistbar wäre. Der Dodge, Range, X5 und Konsorten vor der Haustür ist vielen da wesentlich wichtiger ;-)
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