Datenschutz

11
Mrz
2008

Positiver Wahnsinn

So, das Unvermeidliche musste ja kommen. Ich hatte wider besserer Intuition den Vertrag von Prüm noch für gut befunden, da damit ja keine neuen Daten anfallen würden und der Schutz der bestehenden zumindest nicht abgeschwächt werden würde. Schließlich gehe es hier um die Zusammenarbeit in der EU und einer Kompensation für die wegfallenden Grenzkontrollen.

Nun glaubt Deutschland, aus unterwürfigem vorauseilenden Gehorsam vor dem transatlantischen "Partner" (Vorgesetzten/Vorbild/Angstmacht), den US-Strafverfolgungsbehörden unbedingt Daten aus seinen Polizeidatenbanken zur Verfügung stellen zu müssen.

Dass dies nur ein erster Schritt sein wird und bald sämtliche DNA-Daten aus dem Raum des Prümer Vertrages der US-Willkür unterliegen, ist wenn überhaupt eine Frage, dann nur eine Frage der Zeit.
Leider gelten US-Datenschutzbestimmungen nur für US-Bürger, wie das gesamte US-Recht, die Vorstellung von Menschenrechten und einem selbstbestimmten Leben. Und nebenbei das Recht, nicht von einem der größten Reiseveranstalter der Welt bei mäßiger Freiwilligkeit auf Besichtigungstour nach Kuba mitgenommen zu werden; oder in rustikale Kerker in Ländern des Nahen Ostens.

Deswegen ist Missbrauch der Daten eigentlich vorprogrammiert, da diese gesetzlich nicht geschützt sind und die US-Behörden sie auch gleich an Google oder Facebook verkaufen könnten. Zugegeben, in Anbetracht der Unachtsamkeit der meisten Menschen bezüglich ihres Datenfingerabdrucks im Web würde das gar nicht so viel ändern, doch jeder Asylwerber, Schwarzfahrer, Demonstrant und zufällig in die Datenbank Geratene hat das dann wohl auch nicht verdient.

Schlimm genug, und laut Michael Chertoff sollte dieses Vergehen Modellwirkung für andere Länder der europäischen Union haben. Das kann man, kennt man Chertoff, durchaus als Bedrohung auffassen, ganz im Stil von "Be nice to us or we'll bring democracy to your country".

Kollegen von mir meinten deshalb unlängst, sie hätten seit langem aufgegeben, denn der Kampf um den Datenschutz sei ohnehin schon verloren. Man können nichts mehr tun und müsse auf bessere Zeiten hoffen. Mag sein, dass der Zeitgeist schrecklich ist, mag sein, dass das Beharren auf Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung Wahnsinn ist. Dann aber zumindest positiver Wahnsinn. (danke für die Schöpfung dieses positiven Unkonstrukts an die Dame vom phion-Gipfel) Ist doch auch was.

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10
Jan
2008

Zum Trojaner wie in Ritter der Kokosnuss...

... und nicht zur erfolgreichen List wie in dem glorifizierten trojanischen Krieg droht der Bundestrojaner zu werden. Die Schadsoftware soll nunmehr auch bei Verdacht auf Kinderpornographie (und bald wohl auch bei Diebstahl, übler Nachrede, Falschparken...) eingesetzt werden. Eine äußerst humorvolle und treffende Zusammenfassung der oft geäußerten Kritik an der Effektivität des Trojaners fand ich heute bei Götz Wiedenroth:

Bundestrojaner-Karikatur

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5
Jan
2008

Überzeugungsarbeit

Helge schreibt in seinem Blog über das alte leidige Problem in der Überzeugungsarbeit bei Verwandten und Bekannten, die einem den schwer lastenden Amboss des Nichts-Zu-Verbergens-Killerarguments an den Kopf werfen. Aufgrund der Geradlinigkeit und der intuitiven (naiven) Richtigkeit des Arguments, weiß man im ersten Moment in der Regel nicht, was man sagen soll.

Das Video und die hinzugefügten Punkte auf helge.at liefern prinzipiell schon ganz gutes Material; dennoch möchte ich bei noch ein paar Argumente hinzufügen, die bei mir immer relativ erfolgreich waren:
  • Im echten Leben bekannte Personen für Problemschilderungen wählen: Habt ihr vielleicht einen unsympathischen und offensichtlich inkompetenten Nachbarn/Bekannten, der zufällig bei der Polizei ist? Der eignet sich immer gut, um danach zu fragen, ob man es denn gern hätte, dass der aus Spaß ohne richterliche Genehmigung im Privatleben herumschnüffeln kann, um abends am Stammtisch Klatsch über die Familie zu verbreiten.
  • Nicht abstrakte Diskussionen über informationelle Selbstbestimmung führen, sondern konkrete Beispiele bringen: Bezüglich Datenschutz bringe ich gern das Beispiel von facebook, wo Benutzer sehen konnten, was ihre Buddies so eingekauft haben. Die Geschichte der Verlobten, die vom Eheringkauf ihres zukünftigen Gatten über facebook statt von ihm erfuhr ist immer reichlich illustrativ und sorgt für Erstaunen auch bei den Nichts-zu-verbergern (siehe Kommentar in Groundswell-Blog)
  • Blindes Vertrauen in "die Behörden" anhand von tatsächlichen Negativvorfällen untergraben: Man braucht nur mit der "Wiener Polizei" beginnen (wollt ihr, dass die willkürlich bei euch rumschnüffeln, so korrupt wie die sind), oder mit verlorenen CDs oder USB-Sticks bei diversen Behörden in Europa argumentieren.
  • Extreme hypothetische Überlegungen ins Spiel bringen: Zum Beispiel kann man die Verwandten fragen, ob sie es gern hätten, wenn am schwarzen Brett der Gemeinde/des Gemeindebezirks ihr Haushaltseinkommen, die Fernsehsendungen die sie so schauen und die Zeiten zu denen sie schlafen, ausgehängt werden. Wenn sie meinen, die Überwachungsmaßnahmen wären doch nicht dazu da, kommt mit Missbrauchsfällen, wie sie von helge zitiert werden und mit allgemein anerkannten Sprüchen, wie "Wehret den Anfängen".
Klar, das ist tiefster Populismus... aber ich kann aus Erfahrung bestätigen: Bei der erwähnten Personengruppe wirkt es besser, als vieles, was ich vorher probiert hatte.
Und wenn man erst einmal einen gewissen Humusboden an Daseinsberechtigung für die eigene Argumentation geschaffen hat, kann man immer noch tiefer gehende Auswirkungen und Fakten der Totalüberwachung diskutieren!

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31
Dez
2007

Ein schönes neues Jahr...

...unter dem wachsamen Auge. Vor dem obligaten Besäufnis zur neuerlichen Jahreswende (zu dem ich allen viel Spaß wünschen möchte - auch jenen, die es vorziehen, nichts zu trinken), möchte ich gerne die Aufmerksamkeit noch auf den kürzlich erschienenen Privacy International Bericht zur staatlichen Überwachung lenken. Interessanterweise schneidet Österreich hier schlechter ab als das nördliche Nachbarland Deutschland, aus dem doch immer wieder datenschutzrechtliche Hiobsbotschaften erklingen.

Zwar verschlechterte sich auch Deutschland - allerdings ausgehend von einem höheren Niveau, (auch) bedingt durch den verfassungsrechtlichen Schutz der Privatsphäre in, der in Österreich nicht gegeben ist.
Überraschend stimmt die Tatsache, dass in Österreich vor allem auch der Verfassungsgerichtshof für seine "problematischen Entscheidungen" gerügt wird, unter anderem für den Beschluss, Kommunikationsdaten der Copyright-Industrie zur Verfügung zu stellen.

Insofern sehr erstaunlich ist die Kritik am Verfassungsgerichtshof, da mit Karl Korinek der Präsident eben dieses Gerichtshofs bei der Verleihung des diesjährigen Big Brother Awards noch den Defensio-Libertatis-Positivpreis erhalten hatte.

Gesamt gesehen zeichnet der Bericht ein eher düsteres Bild für Österreich:
  • Österreich schneidet schlechter ab, als beispielsweise Slowenien, Ungarn, Polen, Argentinien und die Schweiz
  • Besonders kritisiert werden die Tatsache, dass Studentendaten 60 Jahre gespeichert werden, sowie verlängerte Vorratsdatenspeicherung, zu schlechte Gesetze und deren zu laxe Umsetzung
  • Die geplanten sowie bereits umgesetzten Metternich-Gesetze von Platter finden in der Auflistung noch gar keine Erwähnung - man darf auf das nächstjährige Abschneiden gespannt sein!
Privacy International Bericht (PDF)

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21
Dez
2007

30 Sekunden für die Privatsphäre

Vielleicht gibt es sporadischen Leser meiner leider auch etwas sporadischen Einträge, denen es am Herzen liegt, dass
  • Briefe nur zwischen ihnen und ihren Adressaten ausgetauscht werden und nicht dazwischen eine potenziell voyeuristische Überwachungskette durchlaufen
  • Telefonate, die nicht im öffentlichen Raum (wie U-Bahnen, Zügen oder Parks) geführt werden, auch Telefonate bleiben und keine öffentlichen Marktschreie an möglicherweise beliebig viele Polizeibeamte werden
  • private Fotos, intime e-mails und eventuell geschäftskritische Dokumente auf dem Computer bleiben auf dem sie gespeichert wurden und nicht vom benachbarten Polizist unter großem Amusement an dessen Frau und Freundeskreis vorgetragen werden
  • die informationelle Selbstbestimmung, der Datenschutz und der persönlichen Raum des Rückzugs, der Nicht-Öffentlichkeit, gewahrt bleiben
Diese Leser könnten vielleicht in Betracht ziehen, 30 Sekunden ihrer Zeit zu opfern, um diese Online-Petition zu unterschreiben:

SOS-Überwachungsstaat Petition

Man muss hinzufügen, dass die mögliche Wirksamkeit solcher Online-Petitionen natürlich immer relativiert gesehen werden muss; offensichtliche Spaßeinträge, doppeltes Unterschreiben unter gleichem Namen und die Nicht-Überprüfbarkeit der angegebenen Namen sowie die einfache Fälschbarkeit der Unterschriften machen es den politischen und sachlichen Gegnern leicht, die Unterschriftensammlung als verzerrt bis komplett ungültig zu klassifizieren.

Andererseits gibt es relativ wenig, was man als Bürger gegen den Zeitgeist beherrschenden Sicherheitswahn auszurichten vermag. Und da man nur wenig Zeit für das Unterschreiben der Petition opfern muss, sollte man es unter optimistischen Prämissen trotzdem tun - vorausgesetzt die oben angeführten Punkte besitzen zumindest ein Quäntchen persönlicher Wichtigkeit.

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6
Dez
2007

Das muss Österreich sein

"Das muss Österreich sein." In welchem Land der Welt würde sonst die de-facto Aufhebung der Gewaltenteilung in wichtigen Bereichen des persönlichen Lebens über Nacht durch das Parlament gepeitscht werden, ohne öffentliche Diskussion, im Namen einer diffusen "Terrorbedrohung", unter einem Vorwand der heute bequem all jene Begehrlichkeiten rechtfertigt, die vor einigen Jahren noch unanständig, ja undenkbar gewesen wären?

Mit dem heute zu beschließenden Gesetz, soll es der Exekutive möglich werden, sowohl Zugriff auf IP-Adressen und damit verbundene Personendaten zu erhalten, als auch Telefonate mitzuschneiden und IMSI-Catcher einzusetzen - ohne Gerichtsbeschluss versteht sich, auf Gutdünken der Beamten hin. Man darf sich nun vorstellen, dass die Privatsphäre und das Recht auf freie Meinungsäußerung der österreichischen Bürger nun der Willkürlichkeit solch korruptions- und intrigenfreier Organisationen wie der Wiener Polizei ausgesetzt sind - ohne rechtsstaatliche Kontrollmechanismen.

Man möchte sich denken, diese Verkrüppelung der Gewaltenteilung und des Rechtsstaats sei skandalös und man fragt sich, wie die Justizministerin nur solch einem Beschluss zustimmen kann. Andererseits muss man die Justizministerin auch verstehen - sie kann sich nicht jedes für ihr Ressort eher unwichtiges Gesetz ausführlich zu Gemüte führen (wie jenes über den Asylgerichtshof) - man muss ja schließlich Prioritäten setzen - und während unsere Frau Bundesministerin sich eingehend mit der Gesetzesnovelle zu den Fischereirechten im Bodensee beschäftigt, darf Hardliner Platter an seinem kleinen Projekt des umfassenden Polizeistaates basteln.

Heise Artikel zur Gesetzesabstimmung

ARGE Daten über die Gesetzesnovelle

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1
Okt
2007

Ein bisschen Frieden...

Ein Lob muss dem luxemburgischen Justizminister Luc Frieden ausgesprochen werden - er ist der einzige Innen- oder Justizminister, der Kritik an der ansonsten so wohlwollend entgegen genommenen Einschränkung unserer Freiheitsrechte übt.

Schließlich kann sicherlich nicht eine einzelne Behörde bestimmen, welche Seiten "terroristischen Inhalt" aufweisen - es ist entsetzlich, dass heute alle unmöglich geglaubten Verbote über die Sicherheitsfrage denkbar werden.
Zensur von Internetinhalten darf ebensowenig als probates Mittel in der Terrorbekämpfung angesehen werden, wie Präventivhaften, Totalüberwachung und Einschränkungen von Rede-, Presse- und Religionsfreiheit. Wir verteidigen diese Freiheiten gegen den globalen Terror, gehen aber mittlerweile in der Verteidung so weit, dass wir bald nichts mehr zu verteidigen haben werden.

Oder ist der koordinierte Aktivismus unserer Innenminister im Einschränken der Freiheitsrechte am Ende nur verbrannte-Erde Politik in einer bereits verloren geglaubten Schlacht? Ganz nach dem Motto: Wenn wir selbst alle Freiheiten abschaffen, gibt es für die bösen Talibans gar keinen Grund mehr zur Freude, da sie dann ja arbeitslos sind *schenkelklopf*.
Das sollte man doch nicht hoffen.

Ein Blick über die EU-Außengrenze hinweg nach Russland offenbart, dass auch Putin seine umstrittene Tschetschenien-Politik über den Sicherheitskamm schert, genauso wie die Stasi dies in der ehemaligen DDR zu tun pflegte. Im Grunde rechtfertigen die meisten autoritären Staaten ihre Taten mit dem Sicherheitsbedürfnis ihrer Bürger.

Insofern ist der Begriff Stasi 2.0 nicht unbedingt als Polemik aufzufassen.

Dass nun endlich einmal ein leiser Gegenhauch gegen dieses übertriebene Kanonensperrfeuer auf Spatzen von seiten eines Justizministers kommt, lässt dem zarten Blütchen Hoffnung, das ich für unser aller Freiheit sehe, noch ein wenig Überlebenschance.

Allerdings - während Luxemburg ein bisschen Frieden genießt, leidet Österreich unter Metternich 2.0...

Metternich 2.0

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9
Jul
2007

Geniale Vereinfachung des Rechtssystems!

Der deutsche Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, musste sich dieses Wochenende seitens der deutschen Oppositionsparteien und in abgeschwächter Form auch von der SPD ungerechtfertigte Kritik für seine innovativen Vorschläge gefallen lassen (Tagesschau-Artikel); einzig und allein CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprang für Schäubles angedachte Evolution des Rechtsstaates in die Bresche und merkte an, "durch ideologische Vorgaben das Denken zu verbieten, ist grob fahrlässig".

Hier gilt es Schäuble und Pofalla nach voller Kraft zu unterstützen! Die jetzige Jurisdiktion der meisten europäischen Länder und ihrer schwächlichen Rechtssysteme ist unübersichtlich, kompliziert, ja eine Paragraphenreiterei und nützt weder dem braven Bürger noch seinen wohlwollenden Beschützern, dem Geheimdienst und der Exekutive. Bedingt durch die bestehenden Verfassungen und Gesetze, erdacht von ein paar ältlichen, geistig wie körperlich verstaubten Winkeladvokaten, kann weder die Polizei effizient arbeiten noch kann sie der Bürger dabei nach seiner geschulten Urteilskraft und Wahrnehmung unterstützen.

Ein paar Rechtsverdreher und pragmatisierte Verwaltungsjuristen verdienen sich in unserem Rechtssystem Zweitferraris während sich das hart schufftende Volk in Ungerechtigkeit windet, ja in ständiger Angst vor Tod und Terror vor sich hin vegetiert - Dinge vor denen die vorhandenen Gesetze weder schützen können noch wollen noch werden.

Deswegen ist die vorgeschlagene Lösung von Schäuble in dieser Situation schlichtweg genial: Wir werfen die arkanen, unpassenden Rechtspergamente in die Verbrennungsöfen, in die auch viele Bücher gehören würden und ersetzen Verfassung und diese hinderlichen Menschenrechte durch eine einfache, allgemein verständliche Rechtsentscheidungsprozedur:

Entscheidungsdiagramm von Schäubles System

Die Vorteile liegen auf der Hand! Die Gebühren, die wir uns durch die entfallenden Jusstudien sparen würden (Anwälte und dergleichen würden ja auch nicht mehr benötigt) könnten wir in Videoüberwachung und mehr Staatsbürgerkunde stecken und das Verhalten der Einsatzkräfte wäre transparent und nachvollziehbar, stets dem Diagramm folgend.

Der Bürger bekommt endlich die staatliche Verwaltung, die er schon lange verdient - oder etwa nicht?

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18
Jun
2007

ps aux | grep bundestrojaner

Es war unter dem derzeitigen Innenminister wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Copy-Paste Prozess in der Gesetzgebung wieder einmal einsetzt. Auch vor unserer Alpenrepublik macht die deutsche Schnapsidee des "Bundestrojaners" nicht halt (orf.at-Artikel).

Es gibt noch nicht viel zu kritisieren (einiges wird folgen), solange das Gesetz weder präzisiert noch ausgearbeitet ist. Der Zeitgeist spricht gegen den Datenschutz, für Schubladendenken (bei dem ich mich selbst immer häufiger erwische) und Neusprech wie Terrorismus und Hassprediger raschelt durch alle Blätter und flackert von allen Gleichschaltungsschirmen.

Man muss konstatieren, Terrorismus ist eine Bedrohung, tendenziell verfassungsfeindliche Prediger existieren und polizeiliche Aufklärung ist wichtig, aber es gibt 5 ganz kurze und einfache Gründe, warum diese nicht durch medienwirksame Maßnahmen wie Trojaner-Überwachung erfolgen sollte:
  • Online-Kriminalität ist ein immenses Problem, durch Internet-Betrügereien entstehen Schäden in unbezifferbarer Höhe. Nutzer sollten ihre Rechner schützen... wie geht das einher mit der Öffnung von Schwachstellen für die Exekutive? Diese Schwachstellen werden bekannt werden und auch missbraucht werden.
  • Nutzer mit technischer Expertise werden sich abzuschirmen wissen, Betriebssysteme wie Linux einsetzen oder solche Trojaner entfernen. Möglichkeiten dies zu erledigen, werden schnell bekannt werden. Ist das Ziel Überwachung nur für die technisch Unbedarften einzusetzen?
  • Terroristen speichern ihre Terrorpläne sicher nicht unchiffriert und offen für jegliche Analysetools unter aussagekräftigem Dateinamen auf der Festplatte ("terrorplan.doc")... wahre Verbrecher werden ihre Daten zu schützen wissen, der Rest sind ungefährliche Dilettanten.
  • Wie groß ist die erwartete Anzahl an Fällen, die durch diese Maßnahme zusätzlich aufgeklärt werden im Vergleich zum technischen Aufwand? Die Exekutive wird sehr viel Manpower in der Überwachung von Computern und Auswertung von Datenmassen stecken müssen. Wie kann man ein Dokument klassifizieren, ob es "gefährlich" ist, wenn man es nicht händisch screent...
  • ... sollte die Antwort darauf jetzt automatisierte Analyse lauten (möglicherweise sogar Präventivscreening aller möglicher, zufälliger Rechner), so ist das eine Entwertung der Unschuldsvermtung! Diesen ersten Schritt wollen wir im Namen des Rechtsstaats nicht machen!

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5
Mai
2007

Rechtstaat und zivile Verantwortung

Nun schon wieder einige Tage zurück liegt die Ankündigung des österreichischen Innenministers, eine permanente Sexualstraftäterdatei zu errichten, in überschwänglichem Enthusiasmus von der nach Sicherheit dürstenden Bevölkerung begrüßt; schließlich ist klar, dass man diese kriminellen Asylwerber sofort abschieben muss, notorisch kleinkriminelle Jugendliche wie Erwachsene bestraft gehören und Sexualstraftäter eben kastriert, oder als Übergangslösung, wie von einer parlamentarischen orangen Randgruppe gefordert, "nur" lebenslang mit Unannehmlichkeiten bestraft werden sollten!

Im Gegensatz zu meiner gewöhnlich durchaus sarkastischen Ader übe ich mich hier nicht einmal in Übertreibung; erstere Forderung stammt von Platter selbst, die zweite Idee ausgerechnet von der "linken" französischen Präsidentschaftskandidatin Ségolene Royal und der dritte Punkt ist bei dem derzeitigen gesellschaftlichen Stimmungsbild nur mehr eine Frage der Zeit.

Die psychischen Auswirkungen von Sexualstraftaten auf die Opfer sind natürlich furchtbar, das ist unbestritten. Dennoch muss man sich die Frage stellen, ob die totale gesellschaftliche Ausgrenzung von Tätern und die Einführung immer härterer Strafen ohne gleichzeitige Verbesserung und Intensivierung der Therapieformen wirklich effektiv in der Prävention ist.
Gleichzeitig muss man sich fragen, worauf die errichtete Sexualstraftäterdatei im Endeffekt hinzielt. Normalerweise gilt in Österreich das rechtsstaatliche Prinzip der Tilgung von Vorstrafen nach einer gewissen Zeit, welches für die Sexualstraftäterdatei außer Kraft gesetzt werden soll.
Um weitere Einstellungen von solchen Tätern in problematischen Berufen zu verhindern, also damit z.B. Pädophile nicht als Kindergärtner arbeiten können, so die Argumentation. So weit, so schlüssig.

Die Frage ist, was mit dieser Datei in einigen Jahren passieren wird; wenn der Zeitgeist vermutlich noch stärkere Schlagseite zum politisch Rechten erhalten hat: Werden die Informationen über Sexualstraftäter dann irgendwann "im Sicherheitsinteresse der Bevölkerung" im Internet oder auf eine andere Weise publik gemacht? Provokativ stelle ich dies auf eine Stufe mit der Frage: Wird irgendwann jeder Exhibitionist von einem wütenden Lynchmob zwangskastriert?

Auswüchse derartiger Politik finden sich unter anderem in den USA, wie z.B. in der gerade im Kino laufenden zynischen Vorstadt-Satire "Litte-Children" sehr treffend geschildert.

Derzeit ist diese Sexualstraftäterdatei nur für die Exekutive einsehbar und wohl rechtsstaatlich noch zu vertreten. Dennoch sollte der mündige Bürger gegenüber den derzeitigen sicherheitspolitischen Entwicklungen wachsam bleiben, nicht nur in dem angesprochenen Beispiel, sondern auch bezüglich Auswüchsen wie "Bundes-Trojanern", Vorratsdatenspeicherung und flächendeckenden Videoüberwachungen.

Wir genießen derzeit noch einen funktionierenden Rechtsstaat; seine Beibehaltung erfordert aber, dass wir alle unsere bürgerlichen Freiheiten dazu benutzen, mit gesunder Kritik seine Aufrechterhaltung einzufordern. Wir sollten nicht stumm und gehorsam dem mittlerweile etwas faschistoiden Zeitgeist folgen und damit alle unsere Freiheiten unter der erdrückenden Maxime der (ohnehin unmöglichen) totalen Sicherheit untergraben.

Denn schließlich wird Benjamin Franklin zugeschrieben, schon vor 250 Jahren gesagt zu haben:

"Those who would give up essential liberty to purchase a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety."

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