Weltpolitik

4
Dez
2007

Русскии рассказ 2

Marmor. Magistrate. Manschettenknöpfe. Kolja betritt den holzvertäfelten Saal, setzt sich auf seinen Platz, der ihm die letzten Monate zugewiesen war. Sein Platz? Würde er jemals wieder einen Platz erhalten?
Sonst nur ernste Menschen, graue Mienen, vom Großstadtleben geprägt, als Bürokraten gekennzeichnet, man betrachte nur die Anzüge.
Aus seiner gemächlichen Amtsstubenposition erhebt sich der, den sie Richter nennen:

"Nikolaj Konstantinowitsch, Sie vermochten dieses Gericht bisher nicht durch Vorbringung einer präzisen Problemschilderung zu überzeugen."
"Geehrter Vorsitzender, mein Mandant hat sich die Zunge entfernt!"
"Herr Vertreter, ich frage sie, warum sollte ihr Mandant so etwas Törichtes tun?"
"Er wäre sonst verdurstet!"
"Papperlapapp. Wo in unserem schönen, weiten Land soll den jemand verdursten, weil er eine Zunge hat?"
"Es wurde ihm zur Bedingung gemacht. Wasser im Austausch gegen seine Zunge."
"Herr Vertreter, unser Land entspricht in jeder Hinsicht den höchsten Standards. Irina Andrejevna Kowalenko, Gesandte der Wasseraufsichtsbehörde des Landes Malaquatica, konnte unseren Wasserläden keine Mängel nachweisen."
"Hochverehrter Vorsitzender, unsere Exporte von menschlichen Zungen für Organtransplantationen sind in den letzten fünf Monaten um 230 % gestiegen. Wir exportieren mehr Zungen im Monat, als offiziell Menschen in der Todesstatistik aufscheinen."
"Ich gebe zu, es gibt, sagen wir, kleinere Unregelmäßigkeiten. Aber, dass diese ans Licht kommen, zeugt doch schon von einem fairen Umgang mit Wasserkäufern in diesem Land. Hören Sie, mein Schwager Vladimir Vladimirowitsch hat heute Geburtstag. Er meinte, ich solle den nicht versäumen, sonst... also erkläre ich das Verfahren für beendet."

Was letzte Woche sonst noch so passierte:
Eine Wahlbeobachterin der weißrussischen Opposition attestierte der russischen Parlamentswahl zumindest in einem Moskauer Wahllokal ein "hohes Niveau". Boris Gryslow meinte, die reine Tatsache, dass Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden, würde schon zeigen, dass die russische Wahl fair war.

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3
Dez
2007

Русскии рассказ

Wind. Wüste. Weite. Ein sandverwehter Verkaufsstand, mühsam zusammengehalten durch verrostete Wellblechwände. Koljas Kamel schleppt ihn mit letzter Kraft zu dieser spartanischen Oase, Insel im Nichts. Der einzige Gedanke, der ihn quält, durch sein Kopf pocht, als hämmerndes Fixum in der Einöde, als Sehnsucht, deren Stillung greifend nah liegt, ist das Verlangen nach Wasser.

Er glaubt, er würde sich nichts mehr als kühlende Tropfen, die der schmerzhaft vertrockneten Kehle, Linderung verschaffen, wünschen.

Er betritt die Hütte - sein Blick schweift durch die Blechkiste. Die Hitze ist noch unerträglich flimmernder als in der blanken Wüste, der Blechkasten bietet der aufgeheizten Luft Stauraum.

Ein Verkäufer. Drei Polizisten, mit Ingrimm beinahe zu Sandsäulen erstarrt, jedoch zu wachsamen, ihm folgenden Säulen, wie versteinerte Bestien, die jederzeit aus ihrer Rolle ausbrechen könnten.

Kolja lechzt dem Verkäufer entgegen, sein Beine vermögen ihn kaum mehr zu tragen - in der Ecke - Wasser. Heißes, abgestandenes Wasser in verstaubten Flaschen; dennoch Labsal angesichts der Entbehrungen der Wüste.

Der Verkäufer konfrontiert Kolja:
"Ich stelle dich vor eine Wahl, Reisender. Deine Zunge wirst du in der Wüste nicht brauchen. Falls du sie mir nicht überlässt - du kannst sie mit dem hier liegenden Fleischermesser selbst abtrennen - wird es auch kein Wasser für dich geben".


Und jetzt zu einem anderen Thema:
Wählen in Wahllokalen ohne Wahlkabinen, mit offenem Stimmzettel vor dem Arbeitgeber, unter Androhung von Verlust des Studienplatzes, der Arbeitsstelle oder der staatlichen Wohnung ist keine Wahl.
Boris Gryslow, Vorsitzender der Partei Geeintes Russland, mag die Beeinflussung damit rechtfertigen, dass die Bürger aus Protest über die Vorschriften, ohnehin andere Parteien wählen würden.


Aber ist es eine Option, die Hütte ohne Wasser zu verlassen?

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12
Okt
2007

Nob(e)le Gesinnung

Also ging der Friedensnobelpreis dieses Jahr an Al Gore... viele Europäer jubeln reflexhaft ob der Tatsache, dass sie mit dem Klimawandel stets recht hatten und den blöden Amis endlich mal gezeigt wird, wie der Rest der Welt zu den texanischen Weltvernichtungsplänen steht; meine Begeisterung könnte jedoch größer sein.

Klar, unsere Generation springt gelinde gesagt ziemlich rücksichtslos mit unserem Planeten um und selbst wenn es widersprüchliche Aussagen zu Ursachen und Folgen des Klimawandels gibt, gebietet schon das Vorsorgeprinzip,
dass wir beginnen sollten unseren Lebensstil zu mäßigen und statt ewiger Selbstverwirklichung auch mal an unsere Nachfahren denken.

In dieser Hinsicht ist prinzipiell jeder Vorstoß in Richtung Umweltschutz begrüßenswert, dennoch muss man die Verleihung des Nobelpreises schon ein bisschen in Relationen sehen.
Vor allem bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts erhielten diesen vor allem Personen, die sich tatsächlich für den Frieden oder die Menschenrechte engagierten, z.B. John Hume, David Trimble oder Kim Dae-Jung.

In den 2000ern waren es dann auch mal Wissenschafterinnen (Wangari Muta Maathai) oder Beamte (Mohammed El-Baradei). Ihnen gemeinsam ist aber immer noch, dass sie weitgehend uneigennützig für ein idealistisches Ziel arbeiteten.

Zurück zu den aus europäischer Sicht so dummen Amis: Al Gore scheint diese mutmaßliche Dummheit offensichtlich zu fehlen. Und dies nicht, weil er etwa Zeichen der Zeit besser zu erkennen vermöchte, wie jeder andere nicht-blind-taub-geruchslose Mensch, der in den letzten 15 Jahren eine Zeitung oder ein Buch gelesen hat. Klugheit unterstelle ich ihm alleine schon deswegen, weil er es elegant schafft, knallharte Geschäftsinteressen in geheucheltem Idealismus zu verpacken.

Jahrelang arbeitet er schon "für" den Klimaschutz, dazu bildet er einen propagandistischen Gegenpol zu (der tatsächlich ignoranten) Bush-Regierung und produziert Bücher und Filme, die durch seinen konstanten Aktivismus natürlich nicht gerade unbekannter werden und die der Philanthrop Gore zu dem kleinen Selbstkostenbeitrag von - sagen wir - 20 € unter der darbenden Bevölkerung verteilt.

Selbst benutzt er natürlich Fortbewegungsmittel wie Flugzeuge, um überall auf der Welt Schadstoffverursacher über die Morallosigkeit ihrer Handlungen informieren zu können.

Hinzu kommt, dass Al Gore Vorsitzender eines Hedgefonds ist, der im Handel mit Emissionsrechten spekulativ tätig ist: Generation Investment Management.

All dies ist nun bestenfalls eigennützig und schlimmstenfalls unanständig. Dass Gore dafür allerdings den Friedensnobelpreis erhält, während in Birma friedlich demonstrierende Mönche erschossen werden, ist äußerst zynisch.

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4
Okt
2007

Free Burma!

Free Burma!

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28
Sep
2007

Birma...

Das Vorgehen der Militärjunta in Birma ist grauenvoll, die Berichte in den Medien dazu überschlagen sich geradezu.
Geschichten wie diese verwundern bei dieser Militärdiktatur hingegen kaum mehr...

Das größte Problem ist, dass für die westlichen Demokratien kaum Handlungsspielraum besteht. Wirtschaftssanktionen treffen die hungernde Bevölkerung und werden die stoische Militärdespotie eher unberührt lassen.

Solange der Aufstand in Birma nicht Unterstützung durch die notwendige Mehrheit, auch durch Teile innerhalb des omnipräsenten Sicherheitsapparates gewinnt, besteht kaum Hoffnung auf einen Umsturz des Regimes.

Militäroptionen kommen für die westlichen Staaten nicht in Frage, vor allem da Birma keine strategische Bedrohung darstellt und Irak und Afghanistan die Kapazitäten und die Leidensfähigkeit der USA und ihrer Verbündeten voll auslasten.

Es ist furchtbar, sitzen zu bleiben und zuzusehen, aber eine allfällige Veränderung in Birma kann derzeit wohl nur von innen kommen und benötigt zuerst eine tragende, couragierte Mehrheit in der Bevölkerung.

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